Voraussetzung - Endocannabinoidsystem
Um zu verstehen, worin der Unterschied zwischen natürlichen und synthetischen Cannabinoiden besteht, sollte erst einmal geklärt werden, was ein Cannabinoid überhaupt ist: Cannabinoide sind chemische Verbindungen, welche zum einen in hoher Anzahl in der Cannabispflanze vorkommen und zum anderen im menschlichen Körper gebildet werden. Zudem lassen sie sich auch chemisch herstellen und werden dann als synthetische Cannabinoide bezeichnet. Beide Varianten beeinflussen das Endocannabinoid-System und erzeugen eine bestimmte Wirkung.
Wie wirken Cannabinoide?
Unser Körper besitzt von Geburt an ein Endocannabinoid-System mit verschiedenen Cannabinoid-Rezeptoren. Die bekanntesten und am besten erforschten Cannabinoidrezeptoren sind CB1 und CB2. Insbesondere CB1-Rezeptoren befinden sich in hoher Konzentration im Gehirn, weswegen sie eine wichtige Rolle bei kognitiven Fähigkeiten spielen. CB2-Rezeptoren befinden sich vor allem auf Zellen des Immunsystems. Der menschliche Körper bildet auch körpereigene Cannabinoide, auch als Endocannabinoide bezeichnet. Diese endogenen Cannabinoide regulieren einige der wichtigsten Prozesse des menschlichen Organismus wie zum Beispiel die Verdauung, den Appetit, die Stimmung, das Gedächtnis, das Schmerzempfinden oder Entzündungsprozesse. Somit ist das Endocannabinoid-System überlebensnotwendig für den Menschen, denn bei einem Mangel an Endocannabinoiden oder einem Ungleichgewicht sind häufig körperliche Probleme und Krankheiten die Folge.
Natürliche Cannabinoide
Bis heute sind bereits mehr als 100 verschiedene Cannabinoide in Cannabis nachgewiesen und es werden sicherlich noch einige weitere dazu kommen. Die bekanntesten Vertreter sind das berauschend wirkende THC (Tetrahydrocannabinol) und das nicht berauschend wirkende CBD (Cannabidiol). Sie entstehen in den Harzdrüsen, den sogenannten Trichomen, der Cannabispflanze. Je nach Sorte und Wachstumsbedingungen der Pflanze und ihrer späteren Verarbeitung bzw. Lagerung fällt der Cannabinoid-Gehalt extrem unterschiedlich aus. Es kommt dabei auf unzählige Faktoren an, welche die Konzentration der verschiedenen Cannabinoide beeinflussen.
Die im Pflanzenharz enthaltenen Cannabinoide lassen sich durch Extraktionsverfahren in konzentrierter Form herstellen. Durch eine Extraktion können Pflanzenreste, Chlorophyll und Fette entfernt werden, was eine prozentual höhere Konzentration an Cannabinoiden im Endprodukt bedeutet. Doch noch immer handelt es sich dabei um natürliche Cannabinoide.
Bereits in den 60er-Jahren entdeckte man, dass die in Cannabis enthaltenen Cannabinoide, genau wie die körpereigenen Endocannabinoide, an den CB1 und CB2 Rezeptoren andocken und eine Wirkung hervorrufen. Der Konsum von Cannabinoiden wie CBD oder THC beeinflusst das Endocannabinoid-System und kann somit Krankheitssymptome lindern.
Halb- und Vollsynthetische Cannabinoide
Wofür braucht man eigentlich einen synthetischen Stoff, wenn man auch das natürliche Vorkommen nutzen könnte? Ganz einfach: Weil synthetische Stoffe im Labor hergestellt, getestet und reproduziert werden können. Es wird versucht eine Variante herzustellen, die dem Original in Wirkung und Eigenschaften sehr nahekommt. Häufig sollen durch die Synthese die Verfügbarkeit eines Stoffes, seine Potenz oder die Kosten seiner Herstellung optimiert werden. Ein weiterer Vorteil ist zudem, dass synthetische Cannabinoide im Labor ein reproduzierbares Ergebnis gewähren. Das ist nur möglich, da der Wirkstoff durch eine Synthese hergestellt und somit angepasst werden kann.
Das bekannteste halbsynthetische Cannabinoid ist Dronabinol. Der Wirkstoff wird zwar durch eine Synthese verändert, doch beim Ausgangsmaterial handelt es sich um natürliche Cannabinoide. Somit ist Dronabinol nur halbsynthetisch und besitzt dennoch die gleichen Eigenschaften wie THC. Es wird meist als ölige Lösung oder als Kapsel verschrieben.
Der Wirkstoff Nabilon ist ein komplett synthetisch hergestelltes Cannabinoid und wird unter dem Namen Canemes als Tablette verschrieben. Nabilon ist allerdings nur ein Derivat von THC: 1 mg Nabilon entsprechen ca. 7-8 mg THC. Beide Wirkstoffe werden genau wie medizinische Cannabisblüten für ähnliche Krankheiten und Symptome verordnet. Somit bieten sie eine Alternative für Menschen, für die eine Therapie mit Blüten nicht in Frage kommt.
Auf keinen Fall sollten diese synthetischen Cannabinoide mit dem synthetischen Produkt “Spice” verwechselt werden. Das Rauschmittel besser bekannt als “Legal High” hat nicht viel mit medizinischen synthetischen Cannabinoiden gemein. Zwar wurden auch bei dieser Substanz synthetische Cannabinoide nachgewiesen, allerdings gemischt mit anderen Wirkstoffen, die auf eine Mischung aus Kräutern gesprüht werden. Die Wirkstoffe dieser Produkte sind oft nicht bekannt und schwer nachvollziehbar. Sie wirken zwar an ähnlichen Rezeptoren wie CBD und THC, sind allerdings um ein Vielfaches stärker, was sie so gefährlich macht.
Zusammenfassung
Auch wenn das Wort “synthetisch” im ersten Moment sehr chemisch und abschreckend wirken mag, können synthetische Cannabinoide eine gute Alternative sein. Die Forschung in diesem Gebiet schreitet weiter voran und wird sicherlich noch einige Erkenntnisse über Cannabinoide im Allgemeinen mit sich bringen. Abzuwarten bleibt, was geschieht, wenn eine komplette Legalisierung stattfindet. Wird sich der medizinische Bereich weiterhin mit den im Labor hergestellten Cannabinoiden beschäftigen oder alle Ressourcen in die Erforschung der natürlichen Cannabinoide stecken?
Quellen:
https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/sucht/gefaehrlich-und-nur-scheinbar-legal-legal-highs/, aufgerufen am 28.09.2022
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https://www.aerzteblatt.de/archiv/203121/Arzneimitteltherapiesicherheit-Das-Interaktionspotenzial-der-Cannabinoide, aufgerufen am 18.10.2022