Warum wirkt Cannabis eigentlich?
Um die Wirkung von Cannabis zu verstehen und vor allem das breite Wirkspektrum zu erklären, müssen wir uns einmal den menschlichen Körper anschauen. Dort befindet sich nämlich der Wirkort von Cannabis: Das sogenannte Endocannabinoidsystem (ECS). Nicht nur wir Menschen besitzen ein Endocannabinoidsystem, sondern alle Säugetiere. Das ECS reguliert sehr viele wichtige Prozesse im Körper. Hierzu zählen zum Beispiel: Das Schmerzempfinden, das Immunsystem, die Verdauung, das Gedächtnis und viele weitere. Das ECS ist dafür verantwortlich ein Gleichgewicht in den Zellen aufrechtzuerhalten, damit die oben genannten Prozesse funktionieren. Gerät dieses Gleichgewicht ins Wanken, z.B. durch eine Erkrankung, werden diese Prozesse gestört. Die Folge sind verschiedene zusätzliche Symptome, unter denen viele chronisch kranke Menschen zu leiden haben, wie beispielsweise Schlafstörungen oder depressive Verstimmung.
Die Grafik zeigt einige Prozesse, die das ECS beeinflusst.
Wie setzt sich das Endocannabinoidsystem zusammen?
1990 wurde der Cannabinoidrezeptor 1, auch CB1 genannt, entdeckt. Drei Jahre später folgte die Entdeckung des Cannabinoidrezeptors 2 (CB2). Eigentlich führte die Cannabispflanze zur Entdeckung der Rezeptoren: Man kannte ja bereits das breite Wirkspektrum von Cannabis und hatte zahlreiche Krankheiten dokumentiert, bei denen Cannabis schon viele Jahre angewendet wurde. Deshalb fragte man sich, wo denn die Stellen im Körper sind, an welchen die Wirkstoffe aus der Pflanze ihre Wirkung entfalten können.
Die Entdeckung der beiden Rezeptoren trug maßgeblich zur Aufklärung der medizinischen Wirkungsweise von Cannabis bei. CB1-Rezeptoren lassen sich insbesondere im zentralen Nervensystem wie beispielsweise im Gehirn finden, CB2-Rezeptoren vor allem auf den Zellen des Immunsystems. Rezeptoren und ihre Liganden funktionieren nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Die Bindung der Liganden an die Rezeptoren führt dann zur Freisetzung weiterer Moleküle. Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol, besser bekannt als THC und Cannabidiol (CBD) fungieren als Liganden. Vor allem THC bindet an CB1 und CB2. CBD weist im Vergleich zwar eine geringere Affinität auf, bindet dafür aber an eine Vielzahl weiterer Rezeptoren. Die Bindung der Cannabinoide an die Rezeptoren führt dann beispielsweise zur Ausschüttung von Neurotransmittern. Ein bekannter Neurotransmitter ist Serotonin. Im Volksmund wird Serotonin auch oft als das Glückshormon bezeichnet. Neben der Stimmung ist Serotonin auch an Prozessen wie dem Schlaf-Wach-Rhythmus oder auch der Regulation des Appetits beteiligt.
Neben den beiden bekanntesten Cannabinoiden THC und CBD gibt es ca. 100 weitere Cannabinoide und weitere sog. sekundäre Pflanzenstoffe in der Cannabispflanze, die ebenfalls an verschiedene Rezeptoren im ECS binden. Die beiden Hauptrezeptoren wurden bereits in den 90er Jahren entdeckt. Das ECS ist allerdings ein sehr komplexes System mit vielen Rezeptoren und Liganden, bei dem es noch viel zu entdecken gibt und wir gespannt sein können, was die Forschung noch alles herausfindet.
Körpereigene Cannabinoide – Endocannabinoide
Nun haben wir die Cannabinoide THC und CBD aus der Cannabispflanze kennengelernt, die sog. exogenen Cannabinoide. Der Körper besitzt allerdings auch eigene Cannabinoide, auch als Endocannabinoide bezeichnet. Die bekanntesten Endocannabinoide sind Anandamid und 2-Archidonylglycerol auch 2-AG genannt. Sie binden wie THC an CB1 und CB2.
Das ECS sorgt dafür, dass sich die Endocannabinoide im Gleichgewicht befinden, damit die Prozesse im Körper funktionieren. Ist dieses Gleichgewicht gestört, so kommt es zu Folgereaktionen deren Ergebnis eben verschiedene Krankheiten sein können. Deshalb haben THC und CBD so ein großes Wirkspektrum. Sie binden sich genau dort an die Rezeptoren, wo zu wenig eigene Cannabinoide produziert werden.
Neben den Endocannabinoiden und den Phytocannabinoiden, die in der Cannabispflanze vorkommen, gibt es auch synthetische Cannabinoide, die im Labor hergestellt werden. Mehr zum Unterschied zwischen natürlichen und synthetischen Cannbinoiden findet ihr hier.
Terpene & Entourage Effekt
Neben den Cannabinoiden spielen auch Terpene eine große Rolle in der Cannabis Pflanze und auch in der Therapie mit Cannabis. Terpene sind nicht nur für den Geruch und Geschmack von Cannabis verantwortlich, sondern entfalten auch eine Wirkung im Körper. Zusammen mit den Cannabinoiden entsteht ein Zusammenspiel, welcher als Entourage Effekt bezeichnet wird. Mehr zum Entourage Effekt findet ihr hier.
Fazit:
- Alle Säugetiere besitzen ein Endocannabinoidsystem (ECS)
- Das ECS ist an sehr vielen Prozessen im Körper beteiligt
- An die CB1 und CB2 Rezeptoren des ECS binden Liganden: zum einen die Endocannabinoide, die der Körper selbst herstellt und zum anderen die Cannabinoide wie THC und CBD aus der Cannabispflanze
- Das ECS stellt ein Gleichgewicht in den Zellen her, damit die Prozesse im Körper funktionieren
Quellen:
- Matsuda, L. A., Lolait, S. J., Brownstein, M. J., Young, A. C., Bonner, T. I. (1990). Structure of a cannabinoid receptor and functional expression of the cloned cDNA. Nature, 346(6284), 561
- Munro, S., Thomas, K. L., Abu-Shaar, M. (1993). Molecular characterization of a peripheral receptor for cannabinoids. Nature, 365(6441), 61
- Berding, G., Müller-Vahl, K., Schneider, U., Gielow, P., Fitschen, J., Stuhrmann, M., Knoop, B. O. (2004). AM281 single-photon emission computed tomography imaging of central cannabinoid CB1 receptors before and after Δ9- tetrahydrocannabinol therapy and whole-body scanning for assessment of radiation dose in tourette patients. Biological psychiatry, 55(9), 904-915
- Russo EB. Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects. Br J Pharmacol. 2011 Aug;163(7):1344-64. doi: 10.1111/j.1476-5381.2011.01238.x. PMID: 21749363; PMCID: PMC3165946